LUDWIG VAN BEETHOVEN

1770-1827
„Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen.“

Beethoven, 1770 in Bonn geboren, wuchs in einer Zeit des Geniekults heran. So ist sein außergewöhnliches musikalisches Talent schon in sehr jungen Jahren aufgefallen. Beethoven übersiedelte nach Wien, um "Mozarts Geist aus Haydns Händen zu erhalten" und damit in den "Geist der Tonkunst" eingeweiht zu werden. Tatsächlich führt Beethoven Haydns Ideal - Erfüllung des Klassischen, Gedankenreichtum, Bündigkeit, Unverwechselbarkeit und Allgemeingültigkeit - weiter. Der wesentlichste Unterschied zu Haydn war Beethovens unbedingter Wille, die Verhältnisse entscheidend zu verändern. Er suchte in seinem Werk die direkte Konfrontation mit dem Schicksal, um dieses zu besiegen.

Als junger, bereits komponierender Pianovirtuose arrangierte er sich unkonventionell mit dem Wiener Adel, so die Beethoven-Interpretin Fr. von Bernhard: „Dabei sprach er überhaupt sehr im Dialect, wie überhaupt sein Wesen nichts von äußerer Bildung verrieth, (...) vielmehr war er unmanierlich in seinem ganzen Gebahren und Benehmen.“ Beethoven war rastlos, zog häufig um und bewohnte innerhalb weniger Jahre dutzende Heimstätten. Zu dieser Zeit entstanden erste Sonaten, Symphonien und Konzerte. Dabei übersieht man aber bei so lichten Werken wie etwa der 2. Symphonie, dass Beethoven in seinem Innersten schon hier verdüstert, verzweifelt und niedergeschlagen war. In der Niederschrift des Heiligenstädter Testaments kokettierte er hauptsächlich wegen seiner zunehmenden Taubheit mit dem Äußersten. Dennoch wehrte sich Beethoven gegen sein vermeintliches Schicksal. Beethoven, der lesende, sich bildende, ausufernde Künstler, sah beinahe jedes seiner Werke empathisch als einen neuen möglichen Meilenstein auf dem Weg zum Edlen und Besseren mit all seinen möglichen Konsequenzen. Den Wienern gegenüber, die Beethovens Höhepunkte seines Schaffens wie die mittleren Symphonien und späten Klaviersonaten kaum, seine Spätwerke überhaupt nicht mehr verstanden, vielmehr Interpreten und Komponisten wie Paganini, Rossini, etc. klar vorgezogen haben, hatte er ein hoch angespanntes Verhältnis: „Für solche Schweine spiele ich nicht“.

Zahlreiche Anekdoten über sein u.a. auch Goethe unerträgliches Verhalten und monumentale Denkmäler, die den Kunst-Heroen darstellen, geben bis heute beredtes Zeugnis der Dichotomie zwischen dem unkultivierten Privatmann und dem überragenden Künstlers.  Es passten aber diese und ähnliche menschliche Konturierungen nicht in das Bild des gewaltigen Helden, als den man Beethoven bis ins zwanzigste Jahrhundert sah, die entsprechenden zahllosen Denkmäler geben in ihrer Monumentalität ein beredtes Bild dafür.

Der als feindselig, misanthropisch und störrisch eingeschätzte Beethoven wurde in seiner Zartheit, überragenden Menschenliebe und Geselligkeit komplett verkannt.

Beethoven hat die Stufen und Stadien seiner Krankheit, seine vorübergehenden Genesungen wie kein anderer Künstler vor ihm komponiert, so etwa der immer noch wundersam unfassbare und langsame Satz aus dem späten Streichquartett op. 132. Die Krankheit, auch lange unklar als „Unterleibsleiden“ beschrieben, war eine schließlich zum Tode führende Leberzirrhose, welche Folge eines konstanten aber nie exzessiven Alkoholkonsums gewesen ist. Die Ursache für seine berühmte Taubheit ist auch neueren Studien zufolge nicht endgültig geklärt.

 Aldous Huxley schrieb über op. 132, das Beethoven komponierte als er gerade von einer schweren Krankheitskrise genesen war und sich bei den Göttern dafür bedankte: „Langsam, langsam entfaltete sich die Melodie. Die archaischen lydischen Harmonien schwebten in der Luft. Es war eine leidenschaftslose Musik, durchsichtig, rein und kristallen wie ein tropisches Meer, wie ein Alpensee. Wasser über Wasser, Ruhe, die über Ruhe glitt: die akkordmäßige Verbindung wellenloser Weiten und ebener Horizonte, ein Kontrapunkt stiller Seligkeiten. Und alles klar und hell; kein Nebel, kein verschwommenes Zwielicht.“ Beethoven, der noch und für immer zu entdecken und erfahren ist...

Autor: Stefan Fuchs