RICHARD WAGNER

Thomas Mann beschrieb in seinem Essay „Leiden und Größe Richard Wagners“ (1933) dessen Leben und Werk. Dieser Aufsatz führte dazu, dass er aus der Deutschen Schriftsteller Akademie ausgeschlossen worden ist. Auch Richard Strauss und Hans Pfitzner unterstützten den diesbezüglichen Antrag. In der Einleitung des Essays meinte Mann: „Kaum weiß ich die Liebe zu seinem Werk, einem der großartig fragwürdigsten, vieldeutigsten und faszinierendsten Phänomene der schöpferischen Welt, zu unterscheiden von der Liebe zu dem Jahrhundert, dessen größten Teil sein Leben ausfüllt, dies unruhevoll umgetriebene, gequälte, besessene und verkannte, in Weltruhmesglanz mündende Leben.“

Es existieren wenige Komponisten, über die so viel Sekundärliteratur erschienen ist, die so viele glühendste Anhänger, pseudoreligiöse Bewunderer und erbittertste Gegner besitzen wie Richard Wagner. Er wollte keine Opern, sondern „Musikdramen“ bis hin zu „Bühnenweihfestpielen“ (Parsifal) komponieren.Ihm schwebte das „Gesamtkunstwerk“, die Einheit aus Sprache und Musik als die „Zukunftsmusik“ schlechthin vor. Die Wucht, die Schönheit seines Ouevres und die überbordende Quantität seines Schaffens stellen die vielleicht bedeutendste Zäsur in der Geschichte der Musik des neunzehnten Jahrhunderts dar. Sie kollidierten mit ihm, widerstanden ihm oder überwanden ihn. Eine Entwicklung als Musiker ohne Bezugnahme auf Richard Wagner war im neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhundert ohne Bezugnahme auf Richard Wagner unmöglich. Dies verboten das Raffinement seiner Orchestrierung, seine grenzüberschreitende, kompositorische Technik und der Transport von Philosophie und Religion durch sein Werk. Weder die Kompositionen Debussys, Schönbergs und Mahlers die Schriften Nietzsches und Adornos oder die Arbeiten unzähliger bedeutender Künstler verschiedenster Genres sind ohne ihn denkbar. Nimmt es Wunder, dass sich ein Leben als politischer Revolutionär, musikalischer Hexenmeister, gesellschaftlicher Tausendsassa mit Hang zum Üppigen und Luxuriösen, tönender Antisemit und schließlich Kultfigur einer beinahe schon religiösen Anhängerschaft (Bayreuth) letztlich „auf das Herz schlägt“? Wagner, der sich u.a. inspiriert von missverstandener Schopenhauerscher Philosophie in seinen letzten Lebensjahren sich in obskurantischer Philosophie versuchte, allgemeines Mitleid für jedes Lebewesen predigte und deshalb vegetarische Ernährung empfahl, erlag im Palazzo Vendramino in Venedig einem akuten Herzinfarkt, der Folge einer koronaren Herzkrankheit, während er in seinem Arbeitszimmer an einem Aufsatz „Über das Weibliche im Menschlichen“ schrieb. Seine letzten Worte waren: „Liebe – Tragik“...Thomas Manns Essay schließt mit: „Was bleibt ist sein Werk, (...), von dem tiefste Reize ausgehen werden allezeit auf Kunst und Erkenntnis.“